Tägliche Archive: 12. Mai 2009

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Irgendwie ist es schon gemein. Im Internet hacken gerade alle auf Frau von der Leyen rum. Alle behaupten, sie sei inkompetent, durchgeknallt und stellen sie als Lügnerin hin. Dabei macht sie doch nur Ihren Job. Sie ist vom Volk gewählt und nun soll sie sich für Familien und Kinder einsetzen! Sie verhandelt mit Providern, obwohl sie Ihre Meinung nicht zu 100% teilen und läd diese immer wieder zum Kaffe ein – bis sie dann doch den Vertrag mit dem BKA unterzeichnen. Außerdem interessiert sie sich für die neue Technik (auch wenn sie noch keine E-Mail-Adresse hat) und fragt nach, was die Bürger und ihre Wähler zu den Netzsperren meinen. Neulich bei der Mahnwache hat sie sogar extra die andere Tür genommen, um den Protestanten die Show nicht zu stehlen. Um ihr auch mal ein paar Freundlichkeiten zukommen zu lassen würde ich gerne auf die Fragen, die sie im Internet gestellt hat, eingehen. Es gibt zwar schon einige Antwortversuche, aber mehr als eine Grundlage ist das ja nicht. Ich fasse hier zusammen:

Wie genau ist Kinderpornografie definiert und wie hat sich das Angebot im Internet entwickelt?

Eigentlich ist der Begriff Kinderpornographie sehr unpassend. Aus populistischen Gründen eignet er sich aber besser als z. B. „dokumentierter Kindesmissbrauch“. Jedenfalls geht es eigentlich darum, dass Kinder, meist unter Einfluss von psychischer oder körperlicher Gewalt, zu sexuellen Handlungen gezwungen werden. Solche Misshandlungen hinterlassen in der Regel unheilbare Wunden in der Seele eines Kindes und werden, unverständlicher Weise, meist innerhalb des engen Familien- und Bekanntenkreises begangen.

Erschreckender Weise gibt es Menschen, die Gefallen daran finden, sexuelle Misshandlungen von Kindern anzuschauen. Diese Sekundarkriminalität soll nun durch den aktuellen Entwurf zur Internetzensur ein Stück weit eingeschränkt werden. Die Entwicklung im Internet ist sehr interessant: Aufgrund der guten und wichtigen Arbeit der Polizei, der LKAs und des BKAs werden immer mehr Angebote von „pornografischer Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben“ (Videos fallen hier auch unter den Begriff der Schriften) im Internet gefunden und die Verantwortlichen verfolgt. Dieser scheinbare Aufwärtstrend ist ein sehr gutes Zeichen dafür, dass die Arbeit in bisheriger Weise erfolgreich ist und intensiviert werden muss.

Welche Seiten sollen durch die Verbindliche Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Internetprovidern gesperrt werden?

Gesperrt wird gar nichts. Wir wollen schließlich keine Zensur. Es wird nur der Zugang erschwert. In dem Vertrag mit den Providern geht es nur um kinderpornographische und damit illegale Inhalte. Die geplante gesetzliche Regelung lässt dies absichtlich offen um später auch Urheberrechte und Politische Korrektheit im Internet garantieren zu können. Erfahrungen aus anderen Ländern haben immer wieder gezeigt, dass eine solche Infrastruktur für alle möglichen Zwecke genutzt werden kann. Das meint auch Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg wenn er in der Tagesschau sagt: „Das ist nun wirklich einer der wichtigsten Vorhaben in vielerlei Hinsicht.“

Stellt die DNS-Sperrung einen Eingriff in Artikel 10 Grundgesetz (Fernmeldegeheimnis) dar?

Das Grundgesetz ist Sache des Bundesverfassungsgerichtes. Sollte sich rausstellen, dass es nicht zu den Netzsperren passt, müssen wir es anpassen. Allerdings kann ich Sie beruhigen: Wir haben uns intensiv damit befasst. Letztlich handelt es sich um einen Verbindungsversuch zu einer Webseite, die über den Domainnamen angesprochen werden soll. Die technischen Details dahinter verstehen eh nur die Macher des Internets und sind für Sie und uns irrelevant. Spätestens wenn es eine gesetzliche Grundlage gibt verstoßen die Provider nicht mehr gegen Artikel 10. Das größere Problem ist Artikel 5 über die Meinungsfreiheit. Aber hier muss man einfach das zweit-letzte Wort von Absatz 1 streichen. Das bekommen wir diese Legislaturperiode noch hin, solange Schäuble noch da ist.

Wie funktioniert die DNS-Sperrung technisch?

Wie schon gesagt, Sie brauchen sich um die technischen Details nicht kümmern. Am besten passt der Vergleich mit einem Telefonbuch: die DNS-Sperre ist dann wie herausgerissene Seiten. Wenn ein Kinderschänder angerufen werden soll, braucht man erst seine Nummer. Da wir aber die Seiten mit den bösen Nummern entfernt haben sind alle Bürger vor Straftaten sicher. – Sofern sie nicht eigene Telefonlisten anlegen, aber das wäre ja primitiv.

Was versteht man unter einer STOPP-Seite?

Zuerst wollten wir die Stopp-Seite um Benutzer zu warnen, dass sie auf dem Holzweg sind. Als wir den Gesetzesentwurf diskutiert haben ist uns jedoch aufgegangen, dass jeder der im Telefonbuch den Namen eines Kinderschänders sucht offensichtlich selbst pädophil ist. Darum würden wir gerne die Aufrufer automatisiert anzeigen und eine Hausdurchsuchung einleiten. Falls nichts gefunden wird kann der Bürger ja immer noch seine Unschuld beweisen um wieder auf freien Fuß zu kommen.

Das STOPP-Schild betont und verstärkt zudem die gesellschaftliche Ächtung des Unschuldigen und gibt dem Nutzer die Möglichkeit, bereits Beweise für seine Unschuld zu sammeln, bis die Polizei vor der Tür steht. Dass das System funktioniert, zeigen die jahrelangen Erfahrungen anderer Länder, die bereits Zugangssperren eingerichtet haben. Manche der Listen sind ja sogar im Internet verfügbar und zeigen wie schlecht die internationale Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden funktioniert.

Ist die Weiterleitung auf eine STOPP-Seite ein Eingriff in Artikel 10 Grundgesetz?

Nein. Wir haben Artikel 10 bereits weiter oben ausführlich diskutiert. Außerdem ist die Stopp-Seite eine technische Eigenschaft der DNS-Sperre und die Frage damit sinnlos.

Was passiert mit den für die DNS-Sperrung erforderlichen Daten des Internetnutzers?

Die Sperrtechnik auf DNS-Basis erfordert keine Erhebung von Daten, die nicht ohnehin im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung anfallen. Durch die Auswertung der Verbindungsdaten zu den Stoppseiten liegen dem BKA genügend Hinweise vor um die auf Vorrat gespeicherten Verbindungsdaten auch ohne richterlichen Beschluss anzufordern. In der bloßen Verhinderung des Zugangs zu einer bestimmten Information, etwa der Seite mit kinderpornografischem Inhalt, liegt kein Eingriff in Artikel 10 Grundgesetz vor. Das wäre nur dann der Fall, wenn sich staatliche Stellen ohne Zustimmung der Beteiligten Kenntnis von dem Inhalt oder den Umständen eines fernmeldetechnisch vermittelten Kommunikationsvorgangs verschaffen. Ok, vielleicht bedarf sogar Artikel 10 einiger Änderungen. Aber das Grundgesetz ist eh schon 60 Jahre alt und muss dringend überarbeitet werden.

Warum folgt dem Vertragsabschluss noch eine gesetzliche Regelung?

Mit der Vereinbarung mit fünf großen Zugangsanbietern sind bereits 75 Prozent des Marktes abgedeckt. Eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene soll alle in Deutschland aktiven Internetanbieter zwingend auf dieselben Regeln einer konsequenten Zugangssperre verpflichten. Davon ausgenommen bleiben natürlich Schulen, Universitäten, Behörden und Kunden von Internetprovidern mit weniger als 10000 Anschlüssen. Eigentlich müssten wir auch die Verwendung von alternativen DNS-Servern verbieten…

Was unterscheidet die gesetzliche Regelung von den verbindlichen Vereinbarungen?

Das Gesetz verpflichtet alle privaten Diensteanbieter zu entsprechenden Zugangssperren, die den Zugang zur Nutzung von Informationen über ein Kommunikationsnetz für mindestens 10 000 Teilnehmer ermöglichen. Es ist technologieneutral formuliert, mindestens muss die Sperrung aber auf DNS-Ebene erfolgen, schließt aber auch tiefer gehende Sperrtechniken ein. Dies kann einen Eingriff ins Fernmeldegeheimnis bedeuten, so dass für diesen Fall die mögliche Einschränkung von Grundrechten ausdrücklich gesetzlich geregelt und im Gesetz zitiert wird. Alle betroffenen Dienstanbieter müssen die entsprechenden Nutzeranfragen – unabhängig von der technischen Lösung – auf die STOPP-Seite umleiten. Wie sie das machen ist ihr Problem, einfach scheint das nicht zu sein. Denn sogar in China ist es manchen Pädophilen noch möglich Regierungskritische Webseiten anzuschauen.

Die Diensteanbieter dürfen auch personenbezogene Daten zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten nach § 184 StGB erheben und verwenden und den zuständigen Stellen auf deren Anordnung übermitteln. Auch dieser Punkt ist mit einem Eingriff in Grundrechte verbunden, die im Gesetz abgesichert sind. Ansonsten bleibt die Verteilung der Aufgaben: Das Bundeskriminalamt erstellt und verantwortet die Listen und stellt diese zur Verfügung. Die Zugangsanbieter setzen die Zugangssperren technisch um und betreiben die STOPP-Seite. Kontrolliert wird das BKA dabei nicht, wir wollen doch nicht durch Gewaltenteilung unnötigen finanziellen Aufwand erschaffen.

Sind Zugangssperren im Internet nicht Zensur? Drohen chinesische Verhältnisse?

Die Zugangssperre zu Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten rührt nicht an der im Grundgesetz garantierten Grundrechten (auch wenn es sie einschränkt, wie wir oben schon beschrieben haben): Es geht nicht darum, Freiheiten einzuschränken, sondern darum, Seiten, auf denen der Missbrauch und die Vergewaltigung von Kindern verbreitet und auf einfache Weise weltweit verfügbar gemacht wird, zu blockieren. Dadurch wird zwar nur die Sekundärkriminalität behandelt aber für den Wahlkampf ist es gut. Nochmals zur Erinnerung: die meisten sexuellen Vergehen an Kindern geschehen innerhalb von Familien und Bekanntenkreis. Nur die wenigsten werden gefilmt und dann auch noch verteilt.

Können Zugangssperren bei den Providern die Verbreitung von Bildern und Videos, die den sexuellen Missbrauch von Kindern dokumentieren, zu 100 Prozent verhindern?

Auch in China funktioniert die Zensur nicht zu 100 Prozent. Wie sollen wir es dann in einem ersten Schritt hinbekommen. Aber wenn schon 80% der Gelegenheitsmeinungen eingeschränkt sind, dann richten die anderen in einer Demokratie auch nichts mehr aus. Wir haben es ja jetzt schon, dass FDP und Grüne zusammen mehr als 20% der Stimmen haben.

Sind Zugangssperren nicht leicht zu umgehen, indem die Anbieter ständig die Adressen wechseln?

Im Prinzip schon. Allerdings stößt man ja sowie so im Internet ständig per Zufall auf Kinderpornographie. Das hat zwar nichts damit zu tun, aber wenn Sie bei YouTube nach „27 Sekunden netzsperren umgehen“ suchen finden sie einfachere Möglichkeiten. Die Seiten werden ja durch die Sperrung nicht vom Netz genommen, sondern der Zugang nur erschwert. Das sind die 27 Sekunden.

Wer haftet dafür, wenn von den Sperren auch unbedenkliche Angebote im Internet betroffen sind?

Das ist letztlich egal. Der Rechtsweg ist eh ausgeschlossen. Es braucht keine richterlichen Beschluss um eine Seite auf die Sperrliste zu setzen. Runtergenommen werden sie dort nie und schon bald wird in Deutschland das Internet Geschichte sein. Wenn ein Unschuldiges Opfer lange genug für seine Straftat im Knast war wird er es nicht wagen auch noch vor Gericht zu ziehen. Er will ja nicht nochmal rein.

Sind die Zugangssperren ein Ersatz für die oft mühsame Verfolgung der Täter im In- und Ausland?

Ja. Die Internationale zusammenarbeit funktioniert nicht und wir wollen ja im Familien und Wirtschaftsministerium keinen Wahlkampf für den Außenminister betreiben. Natürlich wäre es besser hier anzusetzen, weil dann wirklich Straftäter verfolgt werden könnten. Aber die Sperren sind einfacher und populistischer.

Wenn so viele Quellen im Ausland sitzen, brauchen wir dann nicht mehr internationale Abkommen und Netzwerke?

Wir haben bereits gut funktionierende Netzwerke. In CIRCAMP (Cospol Internet Related Child Abusive Material Project) sind 13 europäische Staaten polizeilich organisiert: Norwegen, Großbritannien, Dänemark, Belgien, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, Malta, Polen, Schweden, Niederlande und Spanien. Norwegen betreibt dieses Netzwerk aktiv. Deutschland wird beitreten. Und acht Länder – Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Niederlande, Schweiz, Neuseeland, Italien – verwenden den CSAADF (Child Sexueal Abuse Anti Distribution Filter) um Internetseiten zu sperren. Sie sehen also die Netzwerke werden verwendet um die Sperrlisten zu synchronisieren, nicht um Straftäter zu verfolgen.

Die Bundesregierung setzt auf diese bestehenden Netzwerke und weitergehende Vereinbarungen. Sie hat den III. Weltkongress gegen die Sexuelle Ausbeutung von Kindern in Rio de Janeiro im November 2008 genutzt, um das Thema der internationalen Zusammenarbeit voranzubringen. Insoweit gibt es ein von Deutschland initiiertes Statement von 16 europäischen Ländern die Sperrlisten aufstellen und Zugangsblockaden eingeführt haben oder einführen wollen. Und über die EU hinaus brauchen wir eh nicht gehen. 80 Prozent Abdeckung ist doch schon sehr viel!

In den Antworten habe ich absichtlich keine Quellen genannt. Frau von der Leyen macht das ja auch nie, ich erhoffe mir durch diese Nachahmung etwas mehr Interesse ihrerseits zu erreichen.