Kinderpornographie

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Sehr geehrte Frau von der Leyen

Sehr geehrte Frau von der Leyen,

herzlichen Dank, dass Sie sich dem Thema Kinderschutz und Kinderpornographie angenommen haben. Dies sie sehr wichtig, da sich Kinder in aller Regel nicht wehren können. Ich habe Einblick in eine Kinder- und Jugenhilfeeinrichtung hier am Ort und bin erschüttert, in welchen Verhältnissen manche Kinder leben müssen. Viele erleben zu Hause Gewalt und der Begriff der „Hure“ ist für viele nicht nur eines von vielem Schimpfworten, sondern harte Realität.

Als technisch versierter Bürger, durch mein Interesse am Medium ‚Internet‘ und nicht zuletzt mein Informatikstudium kann ich die Details der geplanten Internetsperren einschätzen und halte Sie für den falschen Weg. – Unabhängig davon, ob sie nun freiwillig von Seiten der Provider umgesetzt werden oder eine gesetzliche Grundlage bekommen sollten.

Die Gründe sind vielseitig und ich werde sie Ihnen bei Interesse gerne ausführlich erläutern. Grob zusammengefasst geht es um folgende Punkte:

Die Sperren …

  • sind technisch leicht zu umgehen
  • sollen auf geheimen Listen basieren, was ich als Verstoß gegen GG Art. 5 (1) halte
  • selbst wenn der Konsum von KiPo damit eingedämmt wird, ist den Kindern nur wenig geholfen; wir brachen viel mehr eine wirksame Strafverfolgung der Produzenten und Konsumente von KiPo-Material
  • es ist völlig unklar, wie eine Internetseite, sollte sie mal auf der Liste auftauchen, dort wieder runter kommt
  • die Liste soll vom BKA gepflegt und kontrolliert werden, wo bleibt da die Gewaltenteilung?

Einer der führenden Verlage auf dem Gebiet der Informationstechnologie ist Heise. Dort können Sie einen Artikel finden, der die Problematik mit dem bisherigen Ansatz verdeutlicht. Dieser ist unter der Adresse http://www.heise.de/ct/Die-Argumente-fuer-Kinderporno-Sperren-laufen-ins-Leere–/artikel/135867 erreichbar.

Ich bitte Sie: zeigen Sie, dass Ihnen daran liegt die Kinder zu schützen und nicht nur dem BKA den lang ersehnten Wunsch nach Zensur, die auf alle Bereiche ausgeweitet werden kann, ohne dass Sie oder ein Bürger es merkt!

Es würde mich sehr freuen, wenn Sie mir auf dieses Schreiben Antworten würden, was Sie gerne auch in meinem Blog tun können, in dem ich diesen Brief an Sie auch veröffentlichen werden: http://www.raphael-mack.de/politik/sehr-geehrte-frau-von-der-leyen.

Freundliche Grüße,
Raphael Mack

P. S.: Ich hänge Ihnen ein paar weitere Links hier an, um Ihnen zu verdeutlichen, dass es hier nicht nur um die Meinung eines einzelnen Bürgers geht, sondern eine breite Masse:
http://www.golem.de/0903/66185.html
http://netzpolitik.org/2009/ct-widerlegt-argumente-fuer-internet-zensur/
http://mogis.wordpress.com/
http://blog.odem.org/2009/04/bundeshacker-omnicleaner.html
http://www.lawblog.de/index.php/archives/2009/03/25/die-legende-von-der-kinderpornoindustrie/
http://blog.odem.org/2009/04/vortrag-kipo-re-publica.html
http://www.presseschauer.de/?p=516
http://www.raphael-mack.de/politik/kinderpornographie/
http://www.bundestag.de/parlament/funktion/gesetze/Grundgesetz/gg_01.html

Diese Liste ist unsortiert und nicht vollständig, interessant ist, dass ich abgesehen von einigen amtierenden Politikern und dem BKA keine Befürworter gefunden habe. Sollten Sie (oder sonst jemand der dies liest) unabhängige Befürworter kennen, bitte ich um Hinweise (Kommentare!).

Update (13.04.2009): Dieser Link hier ist einfach zu wichtig, als dass ich ihn weglassen könnte: http://odem.org/tmg/

Update (14.04.2009): Da schon „Beschwerden“ kamen, dass ich den Link vergessen hatte: Wer die Chance, dass die Familienministerin diesen Brief auch wirklich liest kann hier dafür stimmen…

Kinderpornographie

Zu aller erst: Sexueller Missbrauch ist wohl das schlimmste Verbrechen, das man einem Kind antun kann. Es ist abscheulich, gehört bestraft und ich finde es gut und wichtig, wenn Steuergelder ausgegeben werden um Kinder davor zu schützen.

Auf Anregung von Ursula von der Leyen denken einige Politiker darüber nach Sperrlisten einzuführen, die verhindern sollen dass einige Seiten im Internet abrufbar sind. Es ist geplant, diese Listen vom BKA pflegen zu lassen, und sie nicht zu veröffentlichen. Eben jenes BKA, dessen Präsident im Bundestag „scheußliche Videosequenzen von der Vergewaltigung eines kleinen Mädchens“ zeigt – als Einstimmung in die Debatte. Das BKA soll doch lieber dafür sorgen, dass die Internetseiten vom Netz genommen werden, statt nur eine Liste zu machen mit Seiten die gesperrt werden sollen.

Vergleichen wir die Situation doch einmal mit China: Dort werden bestimmte Internetseiten blockiert. Es ist weder eine Liste noch eine Begründung öffentlich zugänglich. Gesperrt wird dort so allerlei, z. B. Videos von tibetischen Mönchen, die (friedlich) gegen die chinesische Unterdrückung protestieren. Vermutlich jetzt auch diese Seite hier, denn ich schreibe ja, dass in China zensiert wird. In China heißt das ganze Zensur und verhindert die freie Meinungsäusserung. Die Regierung unterbindet Kritik, alles was nicht ins chinesische System – also den Ideen der Machthaber – passt ist schlicht nicht auffindbar. In Deutschland sollte so etwas nicht möglich sein, denn im Grundgesetz steht in Art. 5 (1):

… Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewähleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Wie sich nun eine geheime Liste von gesperrten Internetseiten von der Praxis in China unterscheidet und mit dem Grundgesetz vereinbar sein soll ist mir absolut unverständlich. Aber es geht ja noch weiter: Frau Schavan möchte die Sperrlisten, noch bevor sie eingeführt sind, erweitern. Da muss man sich doch echt fragen, ob wir noch weit davon entfernt sind, dass die CDU die anderen Parteien auf die Sperrliste setzen lässt…

Nun ja, es gibt ja auch andere Länder, die schon solche Sperrlisten umgesetzt haben und gegen Kinderpornographische Inhalte im Internet einsetzen. Z. B. Schweden: Björn Sellström, der Chef der Polizeiermittlungsgruppe gegen Kinderpornografie und Kindesmisshandlung in Stockholm sagte allerdings gegenüber dem Focus:

„Unsere Sperrmaßnahmen tragen leider nicht dazu bei, die Produktion von Webpornografie zu vermindern“

Außerdem könnten die Sperren dort „leicht“ umgangen werden. – Macht es also wirklich Sinn, das bei uns auch einzuführen? Oder sollten lieber andere, effektivere Wege gegangen werden? – Solange die Internetseiten in Deutschland betrieben werden sollte es ja für die Polizei ein leichtes sein, die Betreiber dran zu kriegen. KiPo ist ja schließlich bei uns illegal. Wenn Angebote aus anderen Ländern in Deutschland konsumiert werden, so ist die Sache natürlich etwas schwieriger, aber trotzdem machbar. Und im Zweifelsfall muss man halt beginnen ein außenpolitisches Thema daraus zu machen und mit fremden Regierungen Gespräche führen.

Laut der Neuen Osnabrücker Zeitung hat das Bundeskriminalamt Zweifel an der Wirksamkeit von Sperren für Kinderporno-Seiten im Internet zurückgewiesen. Jörg Ziercke sagte:

Nach unseren Erkenntnissen sind vier von fünf Menschen, die im Internet auf Kinderpornos zugreifen, Gelegenheits-Konsumenten. Die lassen sich durch ein Stopp-Schild abschrecken und geben ihr Vorhaben auf.

Aber wird man wirklich aus Gelegenheit pädophil? – Ich kann mir das nicht so recht vorstellen. Und selbst wenn nur noch ein Fünftel der Konsumenten an das Material kommt, damit ist doch den Kindern nicht geholfen! Die Politik sollte dich lieber Gedanken darüber machen, wie die Erstellung eingeschränkt werden kann, statt nur auf den Konsum zu schauen.

Sollten die technichen Sperren wirklich kommen, bin ich wohl nicht der einzige, der schon das Bundesverfassungsgericht in Aktion sieht.

Ein paar weiterführende Links zum Thema, die ich nicht im Text unterbringen konnte:
netzpolitik.org
czyslansky
Gedanken des „Datenschutzbeauftragten“
Golem

Jörg Tauss, die zweite

Hier hatte ich Stellung dazu genommen, wie schade unerhört ich es finde, dass Jörg Tauss durch die Medien verurteilt wurde, bevor Fakten auf dem Tisch lagen und er selbst offizielle Auskünfte zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft hatte, geschweige dazu Stellung nehmen konnte.

Inzwischen ist die Zeit etwas fortgeschritten und Jörg Tauss hat in einer ersten offiziellen Stellungnahme zu den Kinderpornographievorwürfen gesagt:

ich war es selbst. Die Staatsanwaltschaft hat bei mir kinderpornografisches Material gefunden.
[…]
Mir ging es darum, eigene Erkenntnisse für die politische und gesetzgeberische Arbeit zu diesem Thema zu gewinnen. Insbesondere einen Beleg für meine These zu finden, dass die Verbreitung von Kinderpornographie mit Hilfe des Internet zunehmend durch andere Verbreitungsformen verdrängt wird. Und natürlich hätte die von mir erhoffte Entdeckung und „Sprengung“ eines der immer wieder durch die Öffentlichkeit geisternden „Kinderpornoringe“ meinem Bekanntheitsgrad nicht gerade geschadet.

Er erklärt also selbst Kinderpornographisches Material zu besitzen und Kontakt zu einem Kinderpornoring zu haben. Zum Zwecke der Recherche, denn ein Politiker kann nicht über Dinge reden von denen er keine Ahnung hat und dann über Gesetze entscheiden die den Umgang mit diesen Themen regeln. Dies ist ein sehr richtiger Schluss und es gibt genug Politiker in unserem Land, die sich von dieser Grundeinstellung eine gehörige Portion abschneiden sollten. Aber auch diese ehrenwerte Motive von Herrn Tauss befreien ihn natürlich nicht vom Gesetz und er hätte einen Schritt früher aufhören und eben doch die Sache nicht im Alleingang durchziehen sollen.

Die Erkenntnis, dass sich die „Szene“ immer weiter abschottet und man nicht zufällig im Internet auf solches Material stößt hätte er auf legalem Wege gewinnen können. Das Ziel einen Kinderprognoring zu sprengen halt ich, ganz nebenbei, für etwas zu hoch gesteckt. – Das sollte er dann doch der Polizei überlassen. Darum haben wir ja Gewaltenteilung und es fällt definitiv nicht in seinen Aufgabenbereich Straftäter zu verfolgen.

Ich halte Jörg Tauss auch weiterhin für einen ehrenwerten Mann, der gutes im Sinn hat. Trotzdem hat er sich etwas zu weit in den schon nicht mehr nur grauen Bereich gewagt und heute erklärt, nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Seine heutige Rede vor dem Kreisverband ist sehr lesenswert um sich selbst ein Bild von dem Mann zu machen. Ich hoffe und wünsche ihm, dass er bei seinen Parteigenossen weiterhin als Fachmann für Medienfragen anerkannt bleibt und am Tagesgeschäft der Politik beteilgt bleibt.

Das was da in den letzten Wochen gelaufen ist und heute einen neuen Höhepunkt erreicht hat, das ist mehr als nur „Mobbing“ auch aus den eigenen Reihen. Das kann man nicht anders bewerten, als den Versuch eine „sozialen Exekution“.

Hier kann ich ihm nur Recht geben und ihm Kraft und Hoffnung wünschen! Denn auch heute haben die Medien seinen Rücktritt bekannt gemacht, bevor er ihn selbst öffentlich kundgetan hat.

Letztlich bleibt die Erkenntnis…

  • … einen Bundestagsabgeordneten, der seine Aufgabe ernst genommen hat, als solchen verloren zu haben.
  • … Missbrauch von Kindern nicht durch die Sperrung von einzelnen Internetseiten unterbunden werden kann.
  • … die Medien machen aus jeder Ente einen Löwen, und vergessen sein Gehege mit einem Zaun zu versehen.

(Wer die letzte Erkenntnis auch nach wiederholtem nachdenken nicht teilt, der sei so frei und frage!)

Jörg Tauss

Ich wollte mich ja raushalten und die Vorfälle um Jörg Tauss hier (noch) nicht kommentieren. Gerade habe ich aber im Compyblog von den vielen Zufällen gelesen, die in diesem Zusammenhang durchaus interessant sind. – Da musste ich einfach…

Ich halte nichts von Verschwörungstheorien, aber wir sollten keine vorschnellen Urteile aussprechen (oder denken). Bislang geht es um Ermittlungen – weiter nichts. Trotzdem immerhin Ermittlungen. Nebenbei: Mich würde mal interessieren, gegen wie viele Verdächtige zwar ermittelt wird, sich der Verdacht aber nicht erhärtet. (Weiß hier jemand Zahlen? -> Kommentar hinterlassen!) Sollte sich der Verdacht nicht bestätigen, so wird doch das Bild, welches uns von den Medien inzwischen vermittelt wurde, irreparablen Schaden hinterlassen. Auch wenn Tauss nach dem jetzigen Rücktritt von seinen Ämtern diese wieder übernehmen würde.

Versteht mich nicht falsch – sollte der Verdacht durch Beweise gestützt werden, bin ich absolut dafür, dass Tauss ein angebrachtes Verfahren bekommt und seine politische Karriere beendet (wird). Aber er sollte, im für ihn positiven Ausgang, die Chance haben so weiter zu machen wie bisher. Also, liebe Medien, übt euch in Zurückhaltung! Euch, lieben Lesern kann ich nur empfehlen, alles was ihr hierzu hört und lest genau zu prüfen und zu hinterfragen. Urteilt erst, wenn genügend Tatsachen auf dem Tisch liegen.

Dass ihr euch selbst ein Bild machen könnt hier noch ein paar Links zusätzlich zu denen im Text, die ich persönlich aber sehr unterschiedlich einschätze:
Pressemitteilung von Jörg Tauss
Statement von Markus Beckedahl auf Netzpolitik.org
„Online-Datenschutzbeauftragter“
justizskandale.de
Rechtsanwalt Stadler

Update: Auf der Seite Abgeordnetenwatch.de hat man die Möglichkeit den Politikern direkt Fragen zu stellen, die sie dann öffentlich beantworten (sofern sie es tun). Jörg Tauss hat hier am 17. Februar zum Thema Kinderpornographie geschrieben:

„Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist, in welcher Form auch immer, inakzeptabel.“

Update 2: Gerade noch gefunden: czyslansky » Ekelhaft!

Update 3: czyslansky bietet noch mehr interessante Hintergrundinfo